Respekt vor Geschichte Neue Mitte Großwinternheim Auf den ersten Blick scheint Großwin- ternheim im Landkreis Mainz-Bingen bloß ein Dorf zu sein, wie sich beliebig viele in Rheinland-Pfalz finden lassen. Länger noch als sein Name ist aber die Geschichte, die der Ort mit seinen heu- te 1.400 Einwohnern erzählen könn- te. Beispielsweise aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Einer Zeit, in der sich im einstigen Reichsdorf gleich mehrere Adelsfamilien niederließen. Diverse historische Gebäude und die Überres- te der Stadtmauer zeugen noch heute davon. Möglicherweise auch deshalb fühlen sich die Großwinternheimer manchmal zu geringgeschätzt. Insbe- sondere ob ihrer kommunalen Rolle, welche die Gebietsreform mit sich brachte: 1972 wurde Großwintern- heim zum Ortsbezirk des fünf Kilome- ter entfernen Ingelheim am Rhein. Als sich 1999 andeutete, dass nun auch noch der eigene Ortsvorsteher samt Ortsbeirat abgeschafft werden soll, wehrte sich Großwinternheim in ei- nem Musterprozess gegen die gelten- de Gemeindeordnung im Land – mit Erfolg. 28 Kommunikative Freiräume Vergangenheit und Zukunft zu verei- nen um die eigene Identität zu wahren ist eine Herausforderung, die Groß- winternheim seit langer Zeit beglei- tet. Eine Herausforderung, die auch bei der beschlossenen Neugestaltung der Ortsmitte die zentrale Rolle spie- len sollte: Wie kann dieser historische Ort am Leben gehalten? Wo sollte ein neues Gemeindehaus stehen und wie sich im historischen Kontext ein- fügen? Welche Maßnahmen können umgesetzt werden, um neue Aufent- halts- und Nutzungsqualität schaffen? Fragen, welche die Verantwortlichen schon seit Jahren umtrieben. Architek- tonisch lieferte die erste, 2013 begon- nene, Planungsphase Antworten. Ehe diese zwei Jahre später gekippt und durch eine neue Hochbauplanung, aus- geführt durch das Offenbacher Büro pätzold kremer architekten, ersetzt wurde. Deren Herzstück ist heute auch Herz des öffentlichen Lebens in Groß- winternheim: Ein neues Bürgerhaus mit multifunktionellem Saal, welches zugleich Raum für eine neue Kinderta- gesstätte und einen Jugendtreff bietet. Unterhalb der katholischen Kirche, wo einst ein verfallenes Weingehöft stand, ist dieser Neubau heute das Symbol für das Großwinternheim neuer Genera- tionen. Die Gestaltung der umgeben- den Freiräume, für die sich die Land- schaftsarchitekten Bittkau-Bartfelder verantwortlich zeichnen, trägt maß- geblich dazu bei, wie stimmig sich der Neubau in dieses besondere Umfeld einfügt. Ein Umfeld, das zum einen auf eine bewegte Geschichte blickt, zum anderen durch eine belebte Topografie Charakter zeigt. Gegliedert durch Natursteinmauern in ortstypischen Material sind damit Freiräume auf unterschiedlichen Ebe- nen entstanden. Südlich des Neubaus findet sich heute ein weitläufiger Be- reich, der teils durch Baumschatten geschützt, von Jugendtreff und KiTa – auch dank beweglichen Mobiliars – ganz variabel genutzt werden kann. Die parkähnlich angelegte Grünfläche des Kindergartens bietet neben ver- schiedenen Spielangeboten auch einen eigenen Obst- und Gemüsegarten und damit eine Fülle an Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten. Der neue Dorf- platz schließlich schafft, eingerahmt von historischem Gemäuer, eine hoch- wertige Kulisse und multifunktional Platz für Feste und größere Veranstal- tungen. In geschwungener Verlegung passt sich das Spartana Pflastersystem im Bereich der Spiel- angebote und des Obst- und Gemüsegartens an die gegebene Topografie an